Montag, 22. April 2013

Eindrücke von der ENSACT-Konferenz in Istanbul (Isabel Schwedhelm) - Abschlussbericht

Merhaba aus Istanbul! Der 1. Tag der 3. ENSACT Konferenz aus den Augen einer Jungen DBSHlerin:

Hier kommen viele Blickwinkel und Ansichten, aus den verschiedensten europäischen Ländern und den verschiedensten Universitäten bzw. Praxisfeldern in Workshops und Symposien zusammen. Heute standen folgende Fragen auf meiner Agenda: Wollen wir – und damit auch Soziale Arbeit – wirklich eine inklusive Gesellschaft? Wie sieht es mit der Solidarität in den eigenen Reihen der Sozialen Arbeit aus? Leben wir in einem modernen Patriarchat?

Alles steht unter einem gemeinsamen Fokus, allem voran steht da die Idee und die sich wiederholende Verdeutlichung der Sozialen Arbeit als Menschenrechtsprofession. Unsere von Rassismus, Xenophobie, Homophobie und von neoliberalen Strömungen geprägten europäischen Nationen müssen gestärkt werden und zu ihren – wo es denn so ist – wahren demokratischen und humanistischen Wurzeln zurückfinden. Soziale Arbeit spielt dabei eine wesentliche Rolle.

Und Istanbul? Als 12-Millionen-Stadt, die zwei Kontinente verbindet und damit auch in der Debatte „Europa – und der Rest der Welt...?“ eine v.a. geographisch entscheidende Rolle spielt, dient sie sehr gut als Austragungsort dieses verbindenden und Horizont erweiternden Kongresses.

Das gute Essen, der nette und zuvorkommende Service des Kongress-Hotels und die vielen hilfsbereiten Menschen, denen ich auf der Straße begegne, geben dem Ganzen einen charmanten Rahmen.

Es ist im wahrsten Sinne groß-artig hier sein zu dürfen.

 

2. Tag der ENSACT-Konferenz (European Network for Social Action) in Istanbul:

Bei dem ausführlichen Treffen des türkischen Verbandes für Soziale Arbeit TASW und des Deutschen Berufsverbandes für Soziale Arbeit DBSH heute Vormittag wurden wir Teil eines interessanten und engen Austausches von nationalen Unterschieden nicht nur in Gesetzgebungen, sondern damit verbunden auch in der Sozialen Arbeit. Ein türkisches Zitat, das von einem Istanbuler Bürgermeister hier genannt wurde: Lass den Menschen leben, dann wird die Stadt auch leben.

In Istanbul sind die meisten Angebote und Hilfemaßnahmen in den Kommunen verankert, freie Träger kamen heute nicht zur Sprache. Unser föderales System von Bund, Ländern und Kommunen in Deutschland, das der DBSH-Vorsitzende Michael Leinenbach kurz und prägnant vorstellte, zeichnete sich wieder einmal als sehr komplex aus. Stichwort Pflichtaufgaben und freiwillige Leistungen der Kommunen… Bei den Vertretenden beider Nationen stand das ambitionierte Ziel der weiteren ethischen Konzeptionalisierung der Sozialen Arbeit als Antwort im Raum. Wie diese in den jeweiligen (nationalen) Kontexten implementiert werden soll, sei noch zu ergründen. Es konnte jedenfalls ein informativer Austausch über die verschiedenen Arbeitskontexte und -bedingungen von Sozialer Arbeit im Gastgeberland und in Deutschland stattfinden. Dass das Symposium auf Deutsch und Türkisch mit Simultanübersetzung abgehalten wurde (und sich zwischendurch Menschen auch einfach beider Sprachen bedienten), gab dem Ganzen aus den Augen einer frischen Türkischschülerin einen besonderen Reiz. Çok güzel J

3. Tag der ENSACT-Konferenz: Zum Abschluss der Konferenz einige internationale Impressionen

Gestern und heute habe ich viel über Soziale Arbeit in osteuropäischen Ländern wie Georgien und Kroatien erfahren. Diese Länder stehen im Gegensatz zu den bereits in Sozialer Arbeit etablierten Staaten wie etwa Deutschland, ganz am Anfang und haben z.B. aufgrund von Kämpfen mit korrupten Regierungen ganz andere und deutlich schwierigere Aufgaben zu meistern. Die georgische Soziale Arbeit, die erst seit zehn Jahren einigermaßen institutionell besteht, ist jung und dynamisch. Bei ihrem heutigen Workshop zeigte uns das eine georgische Kollegin sehr deutlich. Anhand der Situation von Insassen georgischer Gefängnisse und der Ohnmacht Sozialer Arbeit, die v.a. darum kämpfen muss, als solche (an)erkannt zu werden, stellte sie die Untergrabung der Zivilgesellschaft dar, für uns in dem Maße kaum vorstellbar.

Bei den langen, anregenden Gesprächen mit zwei kroatischen Studentinnen (siehe Foto rechts sitzend und stehend), wurden die sozialen und ökonomischen Ungleichheiten und die Auswirkung dessen auf Ausbildung und Praxis Sozialer Arbeit sehr deutlich. Die beiden haben ihren Weg mit viel Engagement und trotz widriger Um- und Widerstände in ihrem Heimatland zu diesem Kongress gefunden und waren noch darüber erstaunt, dass insgesamt so wenige Studierende aus allen anderen Ländern anwesend waren (!).

Um zusammenfassend mit den Worten der Abschlussreden zu sprechen: Wenn wir eine inklusive Gesellschaft wollen, müssen auch wir inklusiv arbeiten und handeln – das gilt für die nationale, sowie für die europäische Ebene. Nicht zuletzt muss die Soziale Arbeit und die Haltung aller in der Sozialen Arbeit Tätigen über alle uns zur Verfügung stehenden Kanäle sichtbar gemacht werden. Soziale Arbeit ist Menschenrechtsarbeit.

In diesem Sinne:
İyi akşamlar aus Istanbul!
 

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