Mein Kommentar zu:
Die Freude der Liebe - Papstdokument zu Ehe und Familie (April 2016)
Mit Spannung erwartet - nun ist es da, das Papstdokument zu Ehe und Familie.
"Die christliche Ehe, ein Abglanz der Vereinigung
Christi und seiner Kirche, wird voll verwirklicht in der Vereinigung zwischen
einem Mann und einer Frau, die sich in ausschließlicher Liebe und freier Treue
einander schenken, einander gehören bis zum Tod, sich öffnen für die Weitergabe
des Lebens und geheiligt sind durch das Sakrament“.
Wird diese Definition als Grundlage der
Betrachtung gelegt, so kann nur die logische Folgerung getroffen werden, dass
die Community der Geschiedenen als auch die LGBTIQ Community weiterhin keine
Berücksichtigung findet und von daher keine konkreten Äußerungen hierzu
getroffen wurden.
Viel grundsätzlicher jedoch sind weitere
Aussagen des Dokumentes. Diese wurden in den vom Radio Vatikan am 06.04.16
veröffentlichten zentralen Punkten aufgezeigt.
Einen zentralen Punkt bildet die „Interkulturation“. Radio Vatikan
schreibt am 06.04.16 hierzu: "Lösungen
kommen nicht ausschließlich ‚von oben’. Dahinter steht die Idee der
Inkulturation, das heißt, vor Ort können Lösungen anders
aussehen als im Nachbarland oder in einem anderen Kulturkreis, weil die
Umstände andere sind."
Die Konsequenz dieser Botschaft muss daher in der Stärkung der Basis und damit
der Verlagerung von Entscheidungskompetenzen in die verschiedenen nationalen
Kirchen bzw. Bistümer bis hin zu den kirchlichen Gemeinden gesehen werden.
Der Haltung der „Interkulturation“ folgt in dieser Logik die Hinwendung zum „Realismus“. Die Veröffentlichung zeigt
in diesem Punkt auf, dass "Realismus
dabei helfe, ein allzu abstraktes theologisches Ideal der Ehe (...), das fast
künstlich konstruiert und weit von der konkreten Situation und den
tatsächlichen Möglichkeiten der realen Familien entfernt ist“, zu vermeiden (AL
36)." Gleichzeitig wird in der Veröffentlichung darauf hingewiesen,
dass „Idealismus dazu führt, dass die Ehe
nicht als das gesehen wird, was sie ist, nämlich ein „dynamischer Weg der
Entwicklung und Verwirklichung“ (AL 37).“ Abgeleitet werden kann in diesem
Punkt, dass durch die Haltung der Interkulturation die Verantwortlichen vor Ort
ihre Entscheidungen realistisch treffen sollen und allzu abstrakte theologische
Ideale in der konkreten Beurteilung nur als Ideal, nicht aber als
Bewertungsgrundsatz des konkreten gelten sollen.
Erstaunlich ist auch, dass es im Kapitel „Liebe“ das Wort „amor“ und
nicht das der Nächstenliebe nähere Wort „caritas” genutzt
wird. In der Veröffentlichung wird dargelegt, dass “es es um alle Aspekte
der Liebe geht, von Verlässlichkeit und Hingabe über Leidenschaft und Erotik
bis zum Wandel im Alter und zum Tod. Sexualität zum Beispiel wird „als eine
Teilhabe an der Fülle des Lebens in seiner (Christi) Auferstehung erlebt“, es herrscht ein
positiver Grundton vor.“ Weiter heißt es im Dokument: „dass im Wesen der ehelichen Liebe selbst die Öffnung auf die
Endgültigkeit hin vorhanden ist“ (AL 123), und zwar in der ganzen Weite der
Ehe, im „Miteinander von Wonnen und Mühen, von Spannungen und Erholung, von
Leiden und Befreiung, von Befriedigung und Streben, von Missbehagen und
Vergnügen“ (AL 126).
Die Haltung die hinter dem Punkt „Eingliederung aller“ drückt
entsprechend des Dokumentes aus, dass „es
darum geht, alle einzugliedern; man muss jedem Einzelnen helfen, seinen eigenen
Weg zu finden, an der kirchlichen Gemeinschaft teilzuhaben, damit er sich als
Empfänger einer unverdienten, bedingungslosen und gegenleistungsfreien
Barmherzigkeit empfindet“ (AL 297).“ Noch konkreter wird das Papier, wenn
es darauf hinweist, dass Pastoral nicht einfach das Umsetzen von regeln in die
Praxis ist, sondern von der jeweiligen Situation ausgegangen werden muss. Der
Ansatz in dieser Haltung muss als Ansatz der Integration gesehen werden.
Wertungen und Entscheidungen müssen
entsprechend des Dokumentes immer nach dem Gewissen
entschieden werden. Im Dokument heißt es hierzu: „Zu einer Erwägung im Gewissen gehören der Blick auf die Lehren Christi
und auf die Tradition der Kirche, zu leichte und zu harte Lösungen
gleichermaßen sind Verrat an der konkreten Lebenssituation. Außerdem ist aber
der Einzelne zu respektieren, im Gewissen ist er allein mit Gott.“
Entsprechend der Logik des Dokumentes wird auch hier der Einzelne in den
Mittelpunkt gestellt und muss respektiert werden. Nicht erwartet werden kann
vom Dokument, dass das Dokument neue anzuwendende generelle gesetzliche
Regelung kanonischer Art geben wird.
vgl: Radio Vatikan schreibt am 06.04.16
Zusammenfassung:
Vom Papstdokument zu Ehe und Familie (April
2016) konnten als Folge der Synode keine bahnbrechenden Änderungen im
kanonischen Recht erwartet werden. Umso erstaunlicher ist, dass mit dem Aufruf
zu mehr Eigenverantwortung des Einzelnen, der realistischen Betrachtung der
jeweiligen Situation, des Aufrufes der Eingliederung aller, bis hin zur
Aufforderung dem eigenen Gewissen zu folgen, die kath. Kirche außerhalb des
kanonischen Rechtes sowie ihrem Unfehlbarkeitsanspruch nun erstmals die
Entscheidungen an die Basis gibt. Liebe wird durch die Verwendung des Wortes
„amor“ erstmals auch außerhalb der Nächstenliebe, der „caritas” akzeptiert.
Es bleibt also nun an
allen selbst sich einzubringen und mit der nun dargestellten neuen Freiheit vor
Ort umzugehen. Wenn “Rom” “nur” noch die Ideologie, nicht aber den Rahmen der
“Realität” definiert, sind alle gefordert, vor Ort ihr Gemeinwesen zu
strukturieren und die neuen Möglichkeiten zu nutzen. Basisgemeinden können
durch die neue Hinwendung zu Interkulturation, zur Realität, dem Anspruch der
Integration aller bis hin zum zum Umgang mit dem eigenen Gewissen dann jeweils
im Einzelfall prüfen, wie Geschiedene als auch die LGBTIQ Community in die
kirchlichen Gemeinschaften eingebunden werden. Ein sich „vor Rom“ verstecken,
wird den Basisgemeinden nun nicht mehr möglich sein. Sollten sie es dennoch
tun, verstoßen sie aktiv gegen die im neuen Dokument geforderte Haltung.
Geschiedene als auch die LGBTIQ Community
sind daher nun frei, mit den Basisgemeinden in Gespräche zu treten und ihre
neuen Rechte, die sich aus dem Dokument ergeben, dann im Dialog einzufordern,
wobei die Gewissenfrage auf beiden Seiten immer zu wahren ist.
Weitere Informationen:
http://de.radiovaticana.va/news/2016/04/10/ehe_und_familie_franziskus_ver%C3%B6ffentlicht_dokument_%E2%80%9Eamoris_/1221216
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