Montag, 18. April 2016

Die Freude der Liebe - Papstdokument zu Ehe und Familie (April 2016)

Mein Kommentar zu:

Die Freude der Liebe - Papstdokument zu Ehe und Familie (April 2016)


Mit Spannung erwartet - nun ist es da, das Papstdokument zu Ehe und Familie.
Vor allem Geschiedene als auch die LGBTIQ Community hatte große Erwartungen in das Papier gesetzt. Jedoch bei genauem Hinsehen sieht das Ergebnis anders aus. Verstanden werden muss das Dokument als Folge der letzten Synode, die sich weltweit mit dem Thema Ehe und Familie befassten. Es ist daher notwendig genauer hinzuschauen. Pater Bernd Hagenkord erläutert in seiner Einführung "Liebe, Bibel, Regeln: Amoris Laetitia"vom 08.04.16 auf Radio Vatikan die grundsätzliche Haltung der Kirche zur christlichen Ehe, die auch im Papstdokument eine wesentliche Rolle spielt:

"Die christliche Ehe, ein Abglanz der Vereinigung Christi und seiner Kirche, wird voll verwirklicht in der Vereinigung zwischen einem Mann und einer Frau, die sich in ausschließlicher Liebe und freier Treue einander schenken, einander gehören bis zum Tod, sich öffnen für die Weitergabe des Lebens und geheiligt sind durch das Sakrament“.

Wird diese Definition als Grundlage der Betrachtung gelegt, so kann nur die logische Folgerung getroffen werden, dass die Community der Geschiedenen als auch die LGBTIQ Community weiterhin keine Berücksichtigung findet und von daher keine konkreten Äußerungen hierzu getroffen wurden.

Viel grundsätzlicher jedoch sind weitere Aussagen des Dokumentes. Diese wurden in den vom Radio Vatikan am 06.04.16 veröffentlichten zentralen Punkten aufgezeigt.

Einen zentralen Punkt bildet die „Interkulturation“. Radio Vatikan schreibt am 06.04.16 hierzu: "Lösungen kommen nicht ausschließlich ‚von oben’. Dahinter steht die Idee der Inkulturation, das heißt, vor Ort können Lösungen anders aussehen als im Nachbarland oder in einem anderen Kulturkreis, weil die Umstände andere sind." Die Konsequenz dieser Botschaft muss daher in der Stärkung der Basis und damit der Verlagerung von Entscheidungskompetenzen in die verschiedenen nationalen Kirchen bzw. Bistümer bis hin zu den kirchlichen Gemeinden gesehen werden.

Der Haltung der „Interkulturation“ folgt in dieser Logik die Hinwendung zum „Realismus“. Die Veröffentlichung zeigt in diesem Punkt auf, dass "Realismus dabei helfe, ein allzu abstraktes theologisches Ideal der Ehe (...), das fast künstlich konstruiert und weit von der konkreten Situation und den tatsächlichen Möglichkeiten der realen Familien entfernt ist“, zu vermeiden (AL 36)." Gleichzeitig wird in der Veröffentlichung darauf hingewiesen, dass „Idealismus dazu führt, dass die Ehe nicht als das gesehen wird, was sie ist, nämlich ein „dynamischer Weg der Entwicklung und Verwirklichung“ (AL 37).“ Abgeleitet werden kann in diesem Punkt, dass durch die Haltung der Interkulturation die Verantwortlichen vor Ort ihre Entscheidungen realistisch treffen sollen und allzu abstrakte theologische Ideale in der konkreten Beurteilung nur als Ideal, nicht aber als Bewertungsgrundsatz des konkreten gelten sollen.

Erstaunlich ist auch, dass es im Kapitel „Liebe“ das Wort „amor“ und nicht das der Nächstenliebe nähere Wort „caritas” genutzt wird. In der Veröffentlichung wird dargelegt, dass “es es um alle Aspekte der Liebe geht, von Verlässlichkeit und Hingabe über Leidenschaft und Erotik bis zum Wandel im Alter und zum Tod. Sexualität zum Beispiel wird „als eine Teilhabe an der Fülle des Lebens in seiner (Christi) Auferstehung erlebt“, es herrscht ein positiver Grundton vor.“ Weiter heißt es im Dokument: „dass im Wesen der ehelichen Liebe selbst die Öffnung auf die Endgültigkeit hin vorhanden ist“ (AL 123), und zwar in der ganzen Weite der Ehe, im „Miteinander von Wonnen und Mühen, von Spannungen und Erholung, von Leiden und Befreiung, von Befriedigung und Streben, von Missbehagen und Vergnügen“ (AL 126).

Die Haltung die hinter dem Punkt „Eingliederung aller“ drückt entsprechend des Dokumentes aus, dass „es darum geht, alle einzugliedern; man muss jedem Einzelnen helfen, seinen eigenen Weg zu finden, an der kirchlichen Gemeinschaft teilzuhaben, damit er sich als Empfänger einer unverdienten, bedingungslosen und gegenleistungsfreien Barmherzigkeit empfindet“ (AL 297).“ Noch konkreter wird das Papier, wenn es darauf hinweist, dass Pastoral nicht einfach das Umsetzen von regeln in die Praxis ist, sondern von der jeweiligen Situation ausgegangen werden muss. Der Ansatz in dieser Haltung muss als Ansatz der Integration gesehen werden.

Wertungen und Entscheidungen müssen entsprechend des Dokumentes immer nach dem Gewissen entschieden werden. Im Dokument heißt es hierzu: „Zu einer Erwägung im Gewissen gehören der Blick auf die Lehren Christi und auf die Tradition der Kirche, zu leichte und zu harte Lösungen gleichermaßen sind Verrat an der konkreten Lebenssituation. Außerdem ist aber der Einzelne zu respektieren, im Gewissen ist er allein mit Gott.“ Entsprechend der Logik des Dokumentes wird auch hier der Einzelne in den Mittelpunkt gestellt und muss respektiert werden. Nicht erwartet werden kann vom Dokument, dass das Dokument neue anzuwendende generelle gesetzliche Regelung kanonischer Art geben wird.
 
vgl: Radio Vatikan schreibt am 06.04.16

 
Zusammenfassung:

Vom Papstdokument zu Ehe und Familie (April 2016) konnten als Folge der Synode keine bahnbrechenden Änderungen im kanonischen Recht erwartet werden. Umso erstaunlicher ist, dass mit dem Aufruf zu mehr Eigenverantwortung des Einzelnen, der realistischen Betrachtung der jeweiligen Situation, des Aufrufes der Eingliederung aller, bis hin zur Aufforderung dem eigenen Gewissen zu folgen, die kath. Kirche außerhalb des kanonischen Rechtes sowie ihrem Unfehlbarkeitsanspruch nun erstmals die Entscheidungen an die Basis gibt. Liebe wird durch die Verwendung des Wortes „amor“ erstmals auch außerhalb der Nächstenliebe, der „caritas” akzeptiert.

Es bleibt also nun an allen selbst sich einzubringen und mit der nun dargestellten neuen Freiheit vor Ort umzugehen. Wenn “Rom” “nur” noch die Ideologie, nicht aber den Rahmen der “Realität” definiert, sind alle gefordert, vor Ort ihr Gemeinwesen zu strukturieren und die neuen Möglichkeiten zu nutzen. Basisgemeinden können durch die neue Hinwendung zu Interkulturation, zur Realität, dem Anspruch der Integration aller bis hin zum zum Umgang mit dem eigenen Gewissen dann jeweils im Einzelfall prüfen, wie Geschiedene als auch die LGBTIQ Community in die kirchlichen Gemeinschaften eingebunden werden. Ein sich „vor Rom“ verstecken, wird den Basisgemeinden nun nicht mehr möglich sein. Sollten sie es dennoch tun, verstoßen sie aktiv gegen die im neuen Dokument geforderte Haltung.

Geschiedene als auch die LGBTIQ Community sind daher nun frei, mit den Basisgemeinden in Gespräche zu treten und ihre neuen Rechte, die sich aus dem Dokument ergeben, dann im Dialog einzufordern, wobei die Gewissenfrage auf beiden Seiten immer zu wahren ist.
 
Weitere Informationen:

http://de.radiovaticana.va/news/2016/04/10/ehe_und_familie_franziskus_ver%C3%B6ffentlicht_dokument_%E2%80%9Eamoris_/1221216

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